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gender-mainstreaming

Im Gegensatz zu historisch impliziten Strategien, wird Geschlechterpolitik offengelegt. Es geht nicht nur um Frauen (Frauenpolitik), sondern um alle Geschlechter. Das heißt auch männliche und non-binäre Geschlechter.

Es geht um die Gleichstellung der Geschlechter. Dabei sollen die diversen Lebensumstände und Interessen sämtlicher Menschen egal welches Geschlechtes bei allen Entscheidungen auf gesellschaftlicher Ebene berücksichtigt werden. Dies soll die Gleichstellung gewährleisten.

Woher stammt der Begriff Gender-Mainstreaming?

1985 tauchte der Begriff das erste Mal auf der 3. UN-Weltfrauenkonferenz in Nairobi auf. Auf der 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Peking, zehn Jahre später, wurde er weiterentwickelt. Das gestiegene Verständnis am Problem der Massenvergewaltigungen innerhalb der Weltgemeinschaft während des Jugoslawienkrieges und im Zuge des Genozids in Ruanda war der Katalysator für die wiederholte Beschäftigung der UN mit dieser Frage.

Ein erklärtes Ziel der Europäischen Union ist G-Mainstreaming seit dem Vertrag von Amsterdam von 1997/1999. Im Gegensatz zur Frauenpolitik soll die umfassende präventive Strategie des Gender-Mainstreaming die Ungleichbehandlungen von Männern und Frauen von vorneherein in sämtlichen Bereichen verhindern.

Ein weiterer Unterschied ist die Umsetzung z.B. in einem Unternehmen. Bei der Umsetzung von Frauen- bzw. Gleichstellungspolitik sind nur wenige beauftrage Personen zuständig (Gleichstellungsbeauftragte). Bei Gender-Mainstreaming ist es die Aufgabe sämtlicher Mitarbeiter eines Unternehmens.

Dabei wird Gender-Mainstreaming vorrangig in öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken und Museen eingesetzt. Die Privatwirtschaft setzt auf das Konzept des Diversity Management zur Umsetzung der Chancengleichheit. Im Diversity Management wird Gender auch als Gender Diversity bezeichnet.

Was steckt hinter Gender-Mainstreaming?

Gender ist ein englischer Ausdruck. Er bezeichnet das soziale oder psychologische Geschlecht einer Person. Dieses kann sich zu dessen biologischem Geschlecht unterscheiden. Dabei wird Gender als eine durch Menschen gemachte soziale Realität gesehen und nicht als etwas natürlich Vorhandenes. Daher verändert sie sich gesellschaftlich und wird als Interaktion zwischen Individuen, Gruppen und Gesellschaften angesehen.

Mainstreaming ist ebenfalls ein englischer Begriff und bedeutete „Hauptströmung“. Es ist also die Strategie, welche benötigt wird, um ein Thema als „Mainstream“ in die Politik zu bringen. Die Vereinten Nationen legten bei G-Mainstreaming eine Definition fest bei der bei jeder staatlichen Aktion auch die geschlechtsspezifischen Folgen abzuschätzen und zu bewerten sind.

Das Ziel ist die Gleichstellung der Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen. Damit soll dem Fortbestehen von Geschlechterungleichheiten entgegengewirkt werden. Damit wird Gender-Mainstreaming auch als Querschnittsaufgabe verstanden. Denn im Gegensatz zum Gleichstellungsbeauftragten / der Gleichstellungsbeauftragten richtet sich dies an alle Menschen in einem Unternehmen.

Eine gängige Übersetzung von Gender-Mainstreaming ist „durchgängige Gleichstellungsorientierung“.  Die Behörden der Europäischen Union haben dafür ihre eigenen Übersetzungen und Formulierungen.

  • Gleichstellungsorientierte Politik
  • Geschlechtersensible Folgenabschätzung
  • Gleichstellungspolitik

„Mainstreaming a gender perspective in all policies and programmes“, die zentrale Formel der Pekinger Weltfrauenkonferenz von 1995 kann auch mit „umfassender Implementierung einer Gender-Perspektive“ übersetzt werden.

Was sind die Aufgaben des Gender-Mainstreaming?

Gender-Mainstreaming geht von der These aus, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.  Daher ist es gemäß einer Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2002 ein Auftrag an die Spitze einer jeden Verwaltung, Organisation und Unternehmens. Alle Beschäftigte sollen die unterschiedlichen Interessen sowie Lebenssituationen von Männern und Frauen bei allen Prozessen und Arbeitsabläufen innerhalb ihres Unternehmens von vornherein berücksichtigen. Damit soll das Ziel der Gleichstellung von Männern und Frauen verwirklicht werden.

Dafür sah es die EU von 2010 bis 2015 als Aufgabe, Hindernisse zu beseitigen, welche dem Gender-Mainstreaming im Wege sind. Diese Hindernisse führen in der Wirtschaft auch dazu, dass Frauen ihr Potenzial nicht ausschöpfen können und ihre Begabungen daher ungenutzt blieben.

Auch besteht die Aufgabe darin, den Blick generell den Blick weg von „den Frauen“ und hin auf „alle Geschlechter“ zu richten. Damit soll eine geschlechtersensible Perspektive in alle sozio-politische und wirtschaftliche Bereiche integriert werden. Dies dient zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen.

Die Rechtlichen Grundlagen in Europa

Die Gleichstellungspolitik, welche im Sinne des Gender-Mainstreaming interpretiert wird, ist folgend verankert:

  • Verfassungsrecht
  • Recht der Europäischen Union
  • Bundesgesetze in Deutschland

Trotz dieser Festschreibung in der Europäischen Union, bleibt die Umsetzung des Gender-Mainstreaming weiterhin eine nationale Aufgabe. Aus diesem Grund weist die Implementierung international erhebliche Unterschiede auf. Zwar sind die gleichstellungspolitischen Standards und juristischen Regelungen in der gesamten EU in vielen Bereichen weitreichend und verbindlich, aber die Umsetzung hapert meistens am Willen der Regierungen sowie die politische Kultur der einzelnen Länder.

Es gibt einige Verfahren mit denen Gender-Mainstreaming realisiert werden kann:

  • Checklisten
  • Erarbeitung von Gender-Analysen
  • Aufstellung geschlechterspezifischer Statistiken
  • Die 3-R-Methode: Unter den drei Kategorien Ressourcen, Repräsentation und Realität wird jede politische Maßnahme geprüft.
  • Kosten-Nutzen-Analysen nach Geschlecht und Geschlechterrollen
  • Das Gleichstellungs-Controlling als betriebswirtschaftliches Instrument des Gender-Mainstreamings.

Beispiel Wien

Gender-Mainstreaming wird in Wien in der Stadt- und Wohnraumplanung durchgeführt. Damit sich Frauen sicher fühlen wird nach Kriterien der Sicherheit und der Alltagstauglichkeit geprüft. Die Magistratsabteilung für Stadtentwicklung und Stadtplanung veröffentlichte 2013 das Handbuch „Gender Mainstreaming in der Stadtplanung und Stadtentwicklung“. Dieses dient als Praxisanleitung für Projekte in der Stadtplanung.

In Deutschland wurde in der Berliner Innenstadt das Wohnprojekt „Spreefeld“ ebenfalls nach den Prinzipien des Gender-Mainstreamings geplant und umgesetzt.

Was macht Gender-Mainstreaming in der Frauenpolitik?

Gender-Mainstreaming bezeichnet die Strategie welche unterschiedlichen Ausgangslagen und unterschiedliche Wirkungen von Maßnahmen auf Frauen und Männer zu berücksichtigen. Sollten Benachteiligungen festgestellt werden, werden mit der „Frauenpolitik“ bzw. der „Männerpolitik“ Instrumente in Gang gesetzt, um diesen Benachteiligungen entgegenzuwirken.

Dabei soll Gender-Mainstreaming diese keinesfalls ersetzen. Es ist vielmehr als notwendig erachtet, Analysen im Rahmen von Gender-Mainstreaming bei geschlechtsspezifischen Angeboten zu machen. Im Bezug auf Gender-Mainstreaming wurden frauenspezifische Angebote oder Frauenförderstellen eingespart. Grund dafür ist das zuwiderlaufen der Gleichstellung der Geschlechter. Kritiker sprechen sogar von einem Missbrauch der Strategie. In Kreisen welche gleichstellungspolitischen Interessen verfolgt werden, diskreditiere dies besonderes Gender-Mainstreaming.

Wie wird Gender-Mainstreaming umgesetzt?

Die konsequente Umsetzung des Gender-Mainstreamings wird in Europa noch einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Die Integration in eine normale Arbeitsroutine ist zu anspruchsvoll. Die Umsetzung hängt von vielen Faktoren ab wie die Genderkompetenz sowie den geschlechtsdifferenzierten Daten. Bevor etwas final wird, müsse in Berücksichtigung aller Gender Maßnahmen und Programme zuerst getestet werden. Dabei werden die eventuellen genderspezifischen Ausgangsbedingungen, welche womöglich nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, Entscheidend für das weitere Vorgehen.

Es ist jedoch klar, dass es einführende Schulungen und genderdifferenzierte Daten geben muss. Ansonsten würden Gender-Mainstreaming-Instrumente Gefahren bergen. Zum Beispiel durch nicht gründliches hinterfragen oder analysieren. Stattdessen würden sich Stereotypen und traditionelle Rollen entwickeln. Die Gleichstellungsziele wie „Freiheit von Diskriminierung“ sowie „gleiche Teilhabe“ würden geschlechtlichen Zuschreibungen weichen.

Auf realpolitischer Ebene wird kritisiert, dass die Gesetzes- oder Verfassungstexte des Gender-Mainstreaming nur soft laws sind. Nicht so wie in der zielgerichteten Frauen-/Gleichstellungspolitik. Sie sind unklar und ergeben keine einklagbaren Leitlinien. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich in allen Ländern Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis erkennen lassen. Die Umsetzung eines europäischen Gleichstellungsstandards stellt für die geschlechterpolitischen Akteure in Wirtschaft, Wissenschaft, Parteien und Zivilgesellschaft eine enorme Herausforderung dar.

Gibt es Kritik am Gender-Mainstreaming?

Es gibt feministische Sozialwissenschaftlerinnen welche Gender-Mainstreaming als angepassten und wirkungslosen Reformismus ansehen. 2000 sprach Barbara Stiegler von einem „Missbrauch“ da mit dem Verweis auf Gender-Mainstreaming Frauenbeauftragte abgeschafft und Mittel gekürzt werden.

Gibt es Kritik am Gender Mainstreaming?
Foto von Mapbox

Die linke Politik sieht darin das Instrument neoliberaler Politiker für die Umsetzung ihrer Ziele. Diese würden die ökonomischen und sozialen Ungleichheiten nicht genügend berücksichtigen.

Im Spiegel und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung setzten die Journalisten René Pfister und Volker Zastrow Gender-Mainstreaming mit „Umerziehungsmaßnahmen“ gleich. Mit der Nennung eines pädagogischen Projektes des Berliner Vereins Dissens sagten sie, dass es dabei um die „Zerstörung von Identitäten“ ginge. Im gleichen Atemzug erinnerten sie an den Fall von David Reimer. Dieser wurde nach einer frühkindlichen Genitalverstümmelung einer geschlechtsveränderten Operation unterzogen. Seitdem wurde er als Mädchen erzogen.

Und die Gegner

Europa erfährt durch eine sozioökonomische, politische und kulturelle Krise der liberalen Demokraten einen Zulauf von Anti-Gender-Bewegungen. Diese richten sich sowohl gegen Gender-Mainstreaming aber auch gegen andere Formen von Geschlechterpolitik. Sie sehen diese als bedrohliche „Gender-Ideologie“.