Aufgrund mangelnden Platzes sowie andere Faktoren stellt sich die Menschheit schon lange eine Frage: Wie wird man in der Zukunft wohnen? Können die Städte so wie wir sie kennen bestehen oder müssen andere Konzepte her? Eine mögliche Antwort könnten die Vertical Villages liefern.
Städte heute
Durch die Flucht vieler Menschen in die bereits überfüllten Großstädte, verändert deren Bild und dies leider nicht zum Besseren. Besonders in Ländern Ostasiens und des Nahen Ostens ist dies deutlich bemerkbar. Doch fast überall besteht der dringende Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum urbaner Gegenden.
Seit den 60er / 70er Jahren war die Reaktion darauf meist bei allen Regierungen und Planern eher ernüchternd. Es wuchsen riesige Betonhochhäuser aus dem Boden. Diese Erforderten zwar die Grundanforderungen an Dichte und Erschwinglichkeit, boten aber sonst keinen weiteren Nährwert. Die hässlichen Gebäude überschwemmten förmlich die Städte und formten die unattraktive Skyline der Städte.
Die anhaltende Notwendigkeit von mehr Wohnraum, stellt die Notwendigkeit von Hochhäusern außer Frage. Denn sie stellen auf einer geringen Grundfläche die meisten Wohnflächen zur Verfügung. Die Frage ist jedoch, ob dies reicht, das sämtliche ästhetischen und andere Überlegungen nicht beachtet werden müssen.
In Asien sind anonyme Hochhaussiedlungen und Riesige Wohnblocks die Folge der rasant wachsenden Städte. Doch gibt es eine umsetzbare Alternative dafür? Ist es möglich, dort ein Vertical Village zu erschaffen in der Flexibilität, Kommunikation sowie Vielfalt zu erschaffen?
Was sind Vertical Villages?
Trotz Filme und Romane wie JG Ballards „High Rise“, scheint der Begriff noch etwas nebulös zu erscheinen. Dieses Konzept versucht einen Mittelweg zwischen Urbanisierung und ländlichem Idyll zu finden. Denn auch wenn die Großstädte weiterwachsen, ist es für ihre Bewohner nur schwer persönliche Verbindungen einzugehen. Auch wenn die Städte bereits versuchen, ausreichend Orte für Begegnungen zu schaffen, ist dies nur begrenzt möglich. Nur schwer lassen sich vorhandene Architekturen ändern oder anpassen.
Die Vertical Villages sollen das Gefühl von Dörfern inmitten einer Stadt bieten. In den in die Höhe wachsenden Wohnprojekten müsse man mehr Dinge integrieren, wie nur bloße Wohnräume. Es sollen Begegnungsorte, Einkaufsmöglichkeiten sowie Freizeitaktivitäten enthalten oder diese sollen in unmittelbarer Nähe zu Fuß erreichbar sein. So soll die Anonymität der Stadt verschwinden und eine lebendige Nachbarschaft entstehen.
Die Vertical Villages sollen Hochhäuser sein, welche auf ihre Bewohner ausgerichtet ist und nicht umgekehrt.
Umsetzbarkeit
Das Konzept der Vertical Villages steht bei der Umsetzung vor einer Herausforderung. Wie erschafft man künstlich die organisch gewachsene Struktur eines Dorfes? Die Vorteile des urbanen und des ländlichen müssen von Planer, Immobilienfirmen sowie Architekten vereint werden.
Bereits konkretisierte Beispiele zeigen, dass ein stimmiges Gesamtkonzept wichtig ist. Um dieses zu erreichen, gibt es viele Unterkonzepte wie ein autofreies Ökodorf mit Carsharing-Anbindung oder eine Corporate Village welches unter einer Unternehmensphilosophie steht. Denn wenn die dort lebenden Menschen unter einem Konzept zusammenwohnen, wächst die Gemeinschaft noch enger zusammen.
Im Gegensatz zu klassischen Wohnquartieren ist der Wohnraum in einer Vertical Village eher klein. Dafür sind die Orte für Begegnungen wie große Gemeinschaftsküchen oder Freizeitplätze größer, um das Miteinander zu fördern. Dies hilft die Anonymität der Stadt hinter sich zu lassen und die soziale Nähe innerhalb der Nachbarschaft zu fördern.
Klein, Kleiner, Tiny House Villages
Die Tiny House Villages verfolgen ein ähnliches Prinzip. Genau wie in den Vertical Villages, steht hier der Wunsch nach dörflicher Idylle im Vordergrund. Diese werden meist vereint mit deinem minimalistischen Lebensstil. Diese gemeinsamen Werte lassen diese Gemeinschaft auch noch nach Generationen funktionieren und fördern. Auch hier wird zugunsten der Allgemeinheit auf persönlichen Wohnraum verzichtet, um mehr Platz für das soziale Leben außerhalb der eigenen vier Wände zu schaffen. Beide Konzepte haben das Potenzial, das Zusammenleben von Menschen nachhaltig zum positiven zu verändern.
Futurepolis
Was wie eine Stadt aus einem Science-Fiction Roman klingt, ist das Ergebnis von Vanessa Zurek und Johannes Kube. Im Zuge ihre Bachelorarbeit zeigen sie mit „Futurepolis“ wie das Stadtleben der Zukunft aussehen könnte. Bei den vermutlich 9,2 Milliarden Menschen, die bis 2050 in Städten leben werden, reden wir von einer Verdoppelung der heutigen Situation. Um diese Zukunft, in der das Wohnen, Fahren, Leben und Arbeiten nachhaltig und lebenswert sein soll, dreht sich das 236 Seiten starke Buch „Futurepolis“.
Orientiert habe man sich dabei an den neuen Konzepten von Start-Ups sowie Stadtarchitektur, Technologien und der Infrastruktur. Hilfe bekamen die zwei Absolventinnen von Prof. Claudia Frey und Prof. Carl Frech.
Für ihr Arbeit recherchierten sie in den Bereichen Stadtentwicklung, Digitalisierung, Klimawandel, Bionik sowie der Mobilität. Dabei stellten sie fest, dass die meisten Entscheidungen danach getroffen wurden, den Status Quo der Stadt zu festigen. Man setzte eher auf Altbewährtes als neues zu wagen.
Nach den Absolventinnen sollte das künftige Leben und Arbeiten effizienter geplant und genutzt werden. Sollte sich an den bisherigen Städtebildern nichts ändern, müssten diese bis 2050 weiteren drei Milliarden Menschen Wohnraum bieten. Dabei entwickeln sich eine Vielzahl an Herausforderungen. So ist jetzt bereits der für die Flächenversiegelung notwendige Sand rar und wird teilweise bereits illegal abgebaut. Ihre Lösung: Die Stadt könnte selbst als Rohstofflager genutzt werden. Dabei könnten nicht mehr genutzte Häuser wiederverwertet werden. Um Nachhaltige Häuser zu produzieren, beziehen sich die beiden auf Neri Oxman, welcher 3D-druckbare Bauteile aus Chitin entwarf.
Auch hatten sie selbst ihre eigene Vertical Village entworfen. NERI ist von Korallen inspiriert. Denn genau wie diese eine Symbiose mit Algen eingingen, um zu überleben, sollten die Bewohner von NERI eine Symbiose mit der Natur eingehen. Man sollte die Fähigkeiten kleinerer Lebewesen nutzen, anstatt sie auszubeuten. Dies würde den Bewohnern z.B. Biomasse, Energie oder Kalk einbringen.
Optimierung der Urbanisierung
Urbanisierung ist und bleibt ein globaler Megatrend. Diesem entstammt das immer weiterwachsende Gefühl nach Gemeinschaft. Dabei stoßen wir auf die Herausforderungen, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse mit sich bringen. Die Bewohner möchten grüne Naherholung und doch einen zentralen Wohnraum. Sie wollen regionale Lebensmittel und ein urbanes Lebensgefühl. Am wichtigsten sind ihnen das individuelle Wohnen sowie die sozialen Begegnungen.
Doch kreative Architekten arbeiten bereits an Lösungen. So versucht das Urban Farming die Lieferwege für regionale Lebensmittel zu minimieren und schafft innerhalb einer Stadt die Option auf Versorgung der Bewohner. Mittels Photovoltaikanlagen nimmt die dezentrale Energiegewinnung weiterhin zu. Dies verspricht für neue Wohnprojekte eine größere Autarkie.
Konzepte wie Vertical Villages, Tiny House Villages oder Mikroapartments sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Daher entstehen immer neue und spannende Lösungen für ein modernes Wohnen in der Großstadt.
Versuche der Umsetzung
Die Vertical Villages umzusetzen, wird weltweit versucht, doch nicht jede Stadt befindet sich in der gleichen Entwicklungsphase. In Beirut, der libanesischen Hauptstadt, befindet sich das Projekt Beirut Terraces. Dies soll eine nützliche Vorlage für diese moderne Hochhausentwicklung darstellen. Der 120 Meter hohe Hochhausturm besitzt parallele überhängende Terrassen. Die modularen Wohnungen sind auf jeder Plattform strukturiert.
Mit diesem Design wollen die Architekten die bisherigen Probleme auf diverse Weisen lösen. Die großzügigen umlaufenden Podeste schaffen eine Menge Platz für gemeinschaftliche Begegnungen. Die Begrünung zwischen innen- und Außenraum schützt die Privatsphäre der Bewohner. Dieses Konzept verbindet traditionelle und moderne Standards und versucht sie in einen harmonischen Einklang zu bringen.
Bereits 2011 gewann ein Team aus Architekten und Samuel Nageotte den Solar Park South International Preis für ihr auffälliges vertikales Dorfkonzept. Dieses schafft Wohn- und Erholungsräume und klammert sich dabei an die Säulen des Viadukts.
Auch in China versucht man sich am Konzept der Vertical Villages. Der Entwurf der XishuangbanNa Resisdence tritt damit in die Fußstapfen der Beirut Terraces. In ihrem Konzept werden Bambus und andere lokale Hölzer benutzt, um die Privatsphäre der Bewohne zu schützen. Dabei sollen die Treppenhäuser sowie Gemeinschaftsräume als Orte der Begegnung dienen.
All diese Konzepte zeigen, dass die One-Size-fits-all Wohnungsmodelle ausgedient haben. Sollten sich die Architekten weiterhin um innovative und kreative Ideen bemühen, sind die Tage der grauen Betonriesen womöglich bald Geschichte.