Seit einiger Zeit steht die Autorin der „Harry Potter“-Bücher, J.K. Rowling im Mittelpunkt diverser Transphobie-Vorwürfen. Was mit dem Liken eines Tweets begann, entfachte sich mit dem Release des jüngsten Harry Potter Spiels „Hogwarts Legacy“ neu. Doch kaum einer, sich nicht intensiv mit der Thematik befasst, versteht was genau dahintersteckt. Wir schauen uns einmal an, wie es zu der ganzen Kritik gegen die Autorin gekommen ist.
Der Anfang
Wie hat die Kontroverse um J.K. Rowling begonnen?
Bereits in den Jahren 2017 und 2018 tauchte die Autorin das erste Mal mit ihren Ansichten zum Thema biologisches Geschlecht in den Medien auf. Damals likte sie auf der Social-Media Plattform Twitter einen Tweet, in dem die Transgender-Bewegung kritisiert und sich abfällig über trans Frauen geäußert hat. Später wurde dies von der Autorin sowohl in einer Erklärung als auch in einem späteren Blogbeitrag als Fehler bezeichnet.
Etwas später, 2019, wurde die Autorin der „Harry Potter“-Bücher zur Verteidigerin einer britischen Forscherin. Maya Forstater hatte aufgrund ihrer transphobischen Kommentare in den sozialen Medien ihre Arbeit verloren. Drauf twitterte die Autorin:
“Kleide dich, wie du willst. Nenne dich, wie du willst. Schlafe mit jedem willigen Erwachsenen, der dich haben will. Lebe dein bestes Leben in Frieden und Sicherheit. Aber Frauen aus ihren Jobs zwingen, weil sie sagen, dass das biologische Geschlecht real ist?”
An ihrem Beitrag fügte sie die Hashtags #ThisIsNotaDrill sowie #IStandWithMaya hinzu.
Dieser Tweet war der Grund, wieso viele Personen die Autorin mit der radikalen feministischen Bewegung TERF (Trans-Exclusionary Radical Feminism) in Verbindung brachten. Rowling wurde beschuldigt, den Rechtsfall von Maya Forstater falsch rüberzubringen.
Wie ging es weiter?
Rowling und die Sache mit der Menstruation
Ein Jahr später, 2020, schaffte es J.K.Rowling erneut via Twitter, dass sie in die Öffentlichkeit geriet. Die Autorin retweetete einen Beitrag in dem über „Menschen, die menstruieren“ diskutiert wurde. Dabei äußerte sie sich abwertend über diesen Begriff. Als Antwort auf den Tweet schrieb diese:
“’Menschen, die menstruieren‘. Ich bin sicher, dass es früher ein Wort für diese Menschen gab. Kann mir jemand weiterhelfen? Wumben? Wimpund? Woomud?”
“Wenn das biologische Geschlecht nicht real ist, gibt es keine gleichgeschlechtliche Anziehung. Wenn das biologische Geschlecht nicht real ist, wird die gelebte Realität von Frauen weltweit ausgelöscht. Ich kenne und liebe trans Menschen, aber wenn man das Konzept von biologischem Geschlecht auslöscht, wird vielen die Möglichkeit genommen, sinnvoll über ihr Leben zu sprechen. Es wird kein Hass verbreitet, wenn man die Wahrheit sagt”
“Die Vorstellung, dass Frauen wie ich, die sich seit Jahrzehnten emphatisch gegenüber trans Menschen verhalten haben und sich mit ihnen verwandt fühlen, weil sie auf die gleiche Weise wie Frauen verletzlich sind – d.h. durch männliche Gewalt – trans Menschen ‚hassen‘, weil sie glauben, dass das biologische Geschlecht real ist und gelebte Konsequenzen hat, ist ein Unsinn.”
“Ich respektiere das Recht jeder trans Person, so zu leben, wie es sich für sie authentisch und gut anfühlt. Ich würde mit dir protestieren, wenn du aufgrund deines trans Seins diskriminiert werden würdest. Gleichzeitig ist mein Leben davon geprägt, weiblich zu sein. Ich glaube nicht, dass es hasserfüllt ist, das zu sagen”
Blogbeitrag zum Thema „Biologisches Geschlecht und Genderfragen“
Im gleichen Jahr, genauer am 10. Juni 2020 veröffentlichte die Autorin auf ihrer eigenen Homepage einen Beitrag. Dieser trug den Titel „J.K. Rowling schreibt über ihre Gründe, sich zu Geschlecht- und Gender-Fragen zu äußern.“ In diesem Beitrag geht es unter anderem um ihre Unterstützung für Maya Forstater, ihr Interesse an trans Themen sowie die Gründe, wieso sie über den neuen Transaktivismus besorgt sei.
Rowling nutzte den Beitrag um ihre Besorgnis über die Auswirkungen auf die Gesundheitsführsorge für Frauen, Bildung, Schutz und die Meinungsäußerungsfreiheit sowie über Fälle von De-Transitoning und die Gesetze, die die Transition betreffen zu äußern.
Nachdem sie behauptete, dass Teile der Transgender-Bewegung frauenfeindlich sind, schrieb sie:
“Es reicht nicht aus, dass Frauen Transgender-Verbündete sind. Frauen müssen akzeptieren und zugeben, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen Trans-Frauen und ihnen selbst gibt.”
Erfahrung mit körperlicher Misshandlung durch einen Mann
Im Beitrag auf ihrer Homepage fährt sie mit der inklusiven Sprache fort, über die sie sich bereits in einem Tweet beschwert hatte.
“Darüber hinaus empfinden viele Frauen die ‘inklusive’ Sprache, die weibliche Menschen als ‘Menstruierende’ und ‘Menschen mit Vulva’ bezeichnet, als entmenschlichend und erniedrigend. Ich verstehe, warum Transgender-Aktivist:innen diese Sprache für angemessen und freundlich halten, aber für diejenigen von uns, die von gewalttätigen Männern mit erniedrigenden Begriffen bespuckt wurden, ist sie nicht neutral, sondern feindselig und entfremdend.”
Weiter macht die Autorin deutlich, wie ihre Meinung zur Frage des Zugangs von trans Frauen zu Räumen wie die Frauentoilette ist.
“Ich glaube, dass die Mehrheit der transidenten Menschen nicht nur keine Bedrohung für andere darstellt, sondern aus all den von mir genannten Gründen verletzlich ist. Trans Menschen brauchen und verdienen Schutz. Wie bei Frauen ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass sie von Sexualpartnern getötet werden. trans Frauen, die in der Sexindustrie arbeiten, insbesondere trans Frauen of Colour, sind besonders gefährdet. Wie jede andere Überlebende von häuslicher Gewalt und sexuellen Übergriffen, die ich kenne, empfinde ich nichts als Mitgefühl und Solidarität mit trans Frauen, die von Männern missbraucht wurden”
Sie betonte, dass sie zwar möchte, das trans Frauen in Sicherheit sind, doch dass auch gebürtige Mädchen und Frauen es ebenfalls tun. Laut ihr öffne man dann jedem Mann die Türe zu diesen Räumen, welche eintreten wollen.
Was halten Fans von Rowlings Aussagen?
Der Shitstorm gegen die Autorin
Viele Fans der „Harry Potter“- Bücher stören sich an den Aussagen der Autorin. Zwar identifizieren sie sich mit den Themen der Reihe wie die Akzeptanz und Zugehörigkeit, Mut und Hoffnung, doch dies einigen Menschen abzuerkennen sei eine Tragödie.
Doch nicht nur Fans, sondern auch Schauspieler*innen sehen die Aussagen der Autorin kritisch, allem voran Daniel Radcliffe. Dieser arbeitete bereits seit vielen Jahren mit der LGBTQIA+ Wohltätigkeitsorganisation „The Trevor Project“ zusammen. Über diese Organisation veröffentlichte er einen offenen Brief mit dem Titel „J.K. Rowling“ Er sagte, dass diese Autorin zwar für den Verlauf seines Lebens verantwortlich ist, doch Aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Trevor Project fühlt er sich dazu verpflichtet, sein Statement dazu abzugeben.
“Trans Frauen sind Frauen. Jede gegenteilige Behauptung untergräbt die Identität und die Würde von trans Personen und steht im Widerspruch zu allen Ratschlägen von Fachverbänden des Gesundheitswesens, die über weit mehr Fachwissen zu diesem Thema verfügen als J.K. Rowling und ich. Laut dem Trevor Project gaben 78 % der transgender und nicht-binären Jugendlichen an, aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert worden zu sein. Es ist klar, dass wir mehr tun müssen, um transgender und nicht-binäre Menschen unterstützen, ihre Identität nicht zu entwerten und keinen weiteren Schaden anzurichten.”
Des Weiteren schreibt er, dass er den Fans der Bücher keineswegs negative Gefühle beim Lesen mitgeben möchte. Ihm ist wichtig, dass Menschen weiterhin die Freude an der Gesichte behalten.
Neben Zahlreichen anderen Erklärungen, gab auch Emma Watson einen Tweet ab. In diesem schrieb sie, dass Trans Personen es verdienen ihr Leben zu leben, ohne ständig in Frage gestellt zu werden.
Erklärung von Warner Bros.
Wenige Tage nach dem Artikel der Harry Potter Autorin gab Warner Bros. ebenfalls eine Erklärung ab. Auch wenn das Studio, welches die Filme des Harry Potter Universums vertreibt, nie ausdrücklich die Autorin erwähnte, wurde es deutlich, um wen es in der Erklärung ging.
“Die Ereignisse der letzten Wochen haben uns darin bestärkt, dass wir uns als Unternehmen mit schwierigen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen müssen. Warner Bros. hat einen festen Standpunkt zur Inklusion, und die Förderung einer vielfältigen und inklusiven Kultur war für unser Unternehmen und unser Publikum auf der ganzen Welt noch nie so wichtig wie heute. Wir schätzen die Arbeit unserer Geschichtenerzähler*innen sehr, die so viel von sich selbst geben, um ihre Werke mit uns allen zu teilen. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, Empathie zu fördern und für das Verständnis aller Gemeinschaften und Menschen einzutreten, insbesondere für diejenigen, mit denen wir zusammenarbeiten und die wir durch unsere Inhalte erreichen.”
Auch Stephen King gerät in die Debatte
Nachdem sich der Bestseller Autor Stephen King in einem Tweet positiv gegenüber Trans Menschen geäußert hatte (“Trans Frauen sind Frauen“), löschte die Autorin kurzerhand einen lobenden Beitrag über den Horror Bestseller Autoren den sie bis dahin sehr geschätzt hatte.
Am 20. Mai 2021, also ein Jahr später, sprach Stephen King in einem Interview mit The Daily Beast über dieses Ereignis. Er sagte, dass J.K.Rowling ihn gecancelt und überall geblockt hatte. Weiter sagte er, dass sie gerne ihre Meinung äußern könne, diese aber seiner Meinung nach falsch wäre.
Was heizt noch die Debatte um J.K. Rowling an?
Hormontherapie
Im Juli 2020 entflammte eine neue Debatte um die Autorin. Sie likte einen Tweet indem es hieß, dass Hormonverordnungen die neue Antidepressiva wären. Viele Leser*innen des Tweets sahen in diesem Beitrag zum einen die Unterstellung das die Einnahme von Medikamenten „faul“ sei sowie das es trans Menschen psychisch nicht gut gehen würde. Daher beschuldigten viele die Autorin, genau diese Annahmen zu vertreten.
Rowking bestritt daraufhin in einem Twitter-Beitrag, dass sie die Einnahme von Psychopharmaka kritisiert hatte. Sie sagte, dass sie sich über die Hormontherapie Sorgen mache. Sie schrieb: “Viele Gesundheitsexpert*innen sind besorgt darüber, dass junge Menschen, die mit ihrer psychischen Gesundheit zu kämpfen haben, zu Hormonen und Operationen gedrängt werden, obwohl dies möglicherweise nicht in ihrem besten Interesse ist.”
Buch „Troubled Blood“
Am 14. September 2020 veröffentlichte Rowling unter ihrem offenen Pseudonym Robert Galbraith den Roman „Troubled Blood“. In diesem Roman verkleidet sich ein männlicher Mörder als Frau, um seine Opfer zu fangen. Dies heizte die Spekulationen über die transfeindlichen Ansichten der Autorin weiter an. Im gleichen Monat trendete auf Twitter der Hashtag #RIPJKRowling. Fans sagten, dass die Autorin zwar nicht tot sei, doch aufgrund ihres Hasses auf trans Menschen hätte sie ihre Karriere umgebracht.
Nicht alle sind gegen Rowling
Nicht jeder Star spricht negativ über die Autorin. So verteidigte sich der mittlerweile verstorbene Robbie Coltrane (Hagrid) im September 2020 bezüglich Rowling zu Wort: “Ich glaube nicht, dass das, was sie gesagt hat, wirklich beleidigend war. Ich weiß nicht, warum, aber es gibt eine ganze Twitter-Generation von Leuten, die nur darauf warten, beleidigt zu werden. Die hätten den Krieg nicht gewonnen, oder? Ich spreche hier wie ein mürrischer alter Mann, aber man denkt einfach: ‘Oh, kriegt euch wieder ein. Bildet euch, steht auf und macht weiter.’”
Anfang 2021 meldete sich die Comedian Eddie Izzard zu Wort und sagte, dass sie nicht glaube, dass Rowling transphob sei.
Wie geht es mit Harry Potter weiter?
Neue Serie geplant
2021 gab es das Gerücht, dass sich bei HBO Max eine Harry Potter Serie in einer frühen Entwicklungsphase befindet. Dies dementierte sowohl die Streaming-Plattform als auch Warner Bros. Nicht alle Fans waren erfreut über die mögliche neue Serie. Nicht wenige Stimmen sind der Meinung, dass sich die Serie trotz Kindheitserinnerungen niemand mehr ansehen würde und vor allem sollte Rowling kein Geld mehr mit dem Franchise machen.
Fantastic Beasts Franchise soll eingestellt werden
Der Dritte Teil des Harry Potter Ablegers „Phantastische Tierwesen“, erzielte im April 2022 die schlechtesten Einspielergebnisse aller Filme des Potter Universums. Daher gibt es wohl aktuell keine Pläne für eine Fortsetzung der Reihe. Auch wenn es laut Autorin wohl insgesamt fünf „Phantastische Tierwesen“ Filme geben sollte.
Das Sorgenkind „Hogwarts Legacy“
Schon vor der eigentlichen Veröffentlichung am 10. Februar 2023, sorgte das Videospiel „Hogwarts Legacy“ für hitzige Diskussionen. Mittelpunkt vieler Debatten war die Frage, ob man dieses Spiel aufgrund der Kontroverse rum um Rowling boykottieren sollte. Zwar war die Autorin nicht direkt an der Entwicklung beteiligt, verdient aber durch Lizenzen an jedem verkauften Exemplar mit.
Und heute?
Auch im vergangenen und dieses Jahr, reißt die Kontroverse nicht ab.
- J.K.Rowling erschien nicht zur Jubiläumshow „Harry Potter 20. Jahrestag: Rückkehr nach Hogwarts“.
- Das neue Buch „The Ink Black Heart” erschien 2022 unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith. In diesem Roman wird eine Cartoonistin auf YouTube beschuldigt, transphob, rassistisch und ableistisch zu sein. Diese wird darauf verleumdet und ihr wird mit Vergewaltigung und Mord bedroht. Am Ende wird die Cartoonistin auf dem Friedhof erstochen.
- Oktober 2022 berichtete Tom Felton in einem Interview, dass die Autorin nur noch wenig an den Dreharbeiten der Filme beteiligt war.
- Oktober 2022 unterstützte Rowling die Proteste gegen ein Selbstbestimmungsgesetz in Schottland. Dieses sollte trans Menschen erleichtern, rechtlich als ihr Geschlecht anerkannt zu werden.
- November 2022 bekommt Rowling in einem Interview Unterstützung von Helena Bonham Carter. Sie sprach davon, dass die Autorin ihre Meinung äußern darf, vor allem da diese eine überlebende von sexueller Gewalt sei. Man müsse nicht mit ihrer Meinung übereinstimmen, sie jedoch respektieren. Auch sagte sie, dass sie sich sicher ist, dass Rowling ihre Worte nicht böse meinte.
- In einem aktuellen Podcast (The Witch Trials of J.K. Rowling) sagte die Autorin, dass sie missverstanden wurde. Auch geht sie auf die Meinung ein, dass sie damit ihr Erbe ruiniert hätte.