Eine Abgrenzung von Privatleben und der Arbeit? So etwas ist bei Work Life Blending undenkbar. Hier wird gerne das Feierabendbier mit den Kollegen getrunken oder auch unerledigte Arbeit noch zu Hause fertig gestellt.
Die Definition
Work Life Blending ist ein Anglizismus. Er beschreibt die Vermischung der Grenzen zwischen der Arbeit und dem Privatleben. Was vor Jahrzehnten noch klar getrennt war, ist heute nicht mehr eindeutig trennbar.
Ron Ashkenas hatte in einem Artikel auf Forbes.com sich mit einem Beispiel dazu geäußert. Er und einige Kollegen hatten sich zu einem Conference-Call verabredet. Dort stellte sich schnell heraus, dass sämtliche Beteiligten diesen Call in ihrem Urlaub annahmen. Dabei ist keiner von ihnen auch nur auf die Idee gekommen, nicht teilzunehmen, obwohl sie im Urlaub waren.
Während der Freizeit für die Arbeit erreichbar zu sein, wäre vor einigen Jahre noch unvorstellbar gewesen und ist heute immer mehr der Normalfall. Dies zeigte auch eine Studie des Kölner Markt- und Organisationsforschungsinstituts YouGov.
Bei dieser und ähnlichen Studien stellt sich immer öfters heraus, dass Arbeitnehmer dies völlig freiwillig tun und nicht auf Anweisung des Chefs hin. Dadurch gerät Work Life Balance immer mehr in Kritik da dieser nicht mehr der heutigen Realität entspricht. Ein fließender Übergang zwischen der Arbeit und dem Privaten statt klaren Abgrenzungen ist heute das Ziel vieler.
Balance vs. Blending
Was vor einigen Jahren noch das Thema war, ist heute förmlich in der Versenkung verschwunden. Work Life Balance, die klare Trennung zwischen Privaten und Beruf, hatte sich in Studien als nicht funktional herausgestellt.
Eine Umfrage der GFU mit 6000 Teilnehmern ergab, dass 42 Prozent von ihnen geschäftliche Emails auch in der Privaten Zeit lesen. 28 Prozent von ihnen, würden diese auch direkt beantworten. Dabei ist die Tendenz weiter steigend.
Doch die Umfrage zeigte auch, dass dies durchaus auch umgekehrt möglich war. Denn genau wie 42 Prozent während ihrer Freizeit geschäftliches erledigten, besuchte die gleiche Anzahl während der Arbeit Social-Media-Kanäle oder checkten privaten Emails. Die von Randstad durchgeführte Umfrage zu diesem Thema ergab einen höheren Wert von 58 Prozent.
Es wird deutlich, dass Stress nicht dadurch entsteht, Arbeit auch außerhalb des Büros zu erledigen. Denn wenn ein Mitarbeiter die Möglichkeit hat, auch außerhalb des Büros Kundenanrufe annehmen zu können. Dadurch kann er wichtige Private Dinge erledigen und muss nicht im Büro warten, bis das Telefon klingelt.
Durch die erhöhte Eigenverantwortung fühlen sich Mitarbeiter ernstgenommener was ihre Motivation und Produktivität steigert. Denn Kreativität ist keine Fließbandarbeit. Einfälle kommen zu den merkwürdigsten Uhrzeiten und in den seltsamsten Situationen. Wieso also bis zum nächsten Arbeitstag warten, um die Ideen auszuarbeiten?
Doch Work Life Blending bringt auch Risiken mit sich. Denn wie jede Veränderung muss, sich auch dieses neue Konzept mit seinen neuen Regeln erst in der vorhandenen Arbeitswelt integrieren. Erst dann lassen sich Risiken wie das Verschwimmen der Grenze zwischen Kollegen und Freunden oder der Lebenskrise bei einem Jobverlust minimieren.
Die neue Arbeitszeit
Was früher bedeutete, zu einer festgelegten Zeit die Arbeit zu verrichten für die man bezahlt wird, löst sich in der heutigen Zeit immer mehr auf. Die Abschaffung des bekannte 8-Stunden-Tages, welcher bereits in einigen Branchen nicht mehr praktiziert wird, bringt jedoch neben positiven auch negativen Folgen mit sich. Während sich die einen über mehr Flexibilität erfreuen können, warten auf andere verstecke Lohnsenkungen oder unbezahlte Mehrarbeit. Es ist daher dringend notwendig, die Arbeitszeit als solches neu zu definieren, denn beide Bereiche verschwimmen zunehmend und fordern nach neuen und flexibleren Lösungen.
Viele Unternehmen experimentieren heute mit diversen Arbeitszeitmodellen. In den meisten Fällen wird Arbeitszeit als Wertgut betrachtet. Arbeitsstunden können zum Beispiel auf ein Langzeitarbeitskonto eingezahlt werden. Diese können dann für einen früheren Renteneintritt oder ein Sabbatical eingelöst werden. Andere Unternehmen überlassen es ihren Mitarbeitern, an welchen tagen und wie lange sie arbeiten wollen, solange die vereinbarte Zeit am Ende des Monats oder des Jahres erfüllt ist.
Möglich ist dies nur, wenn die Arbeitsstunden auf irgendeine Weise dokumentiert werden. Das elektronische Arbeitszeitkonto eignet sich zum Beispiel sehr gut für diese Modell. Hier werden Soll- und Ist- Stunden automatisch verwaltet. Diese sind zu jederzeit vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einsetzbar. Mit einem Terminal, einem Smartphone oder über den Browser werden der Beginn und das Ende der Arbeitszeit erfasst. Das Vertrauen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird durch diese hohe Transparenz verstärkt.
Beispiele des Work Life Blending
Bereits heute setzen bekannte Unternehmen auf lockere Arbeitszeitmodelle. So schaffte Microsoft schon im Jahr 1998 die feste Arbeitszeitregelung ihrer Mitarbeiter ab. Auch die Anwesenheitspflicht im Büro wurde mittlerweile gekippt. Google, Deutsche Bank und SAP lassen ihren Mitarbeitern heute schon Freie Hand bei der Wahl ihrer Arbeitszeit und ihres Arbeitsortes. Beim bekannten Streaming-Anbieter Netflix dürfen die Angestellten so lange und so oft in Urlaub gehen, wie sie es möchten. Das Ganze funktioniert auf Vertrauensbasis.
Auch dem Risiko der ständigen Erreichbarkeit und der somit schrumpfenden freien Zeit, beugen bereits einige Unternehmen vor. Die Mitarbeiter der New Yorker Desingstudios unter der Leitung des Designers Stefan Sagmeister können etwa alle sieben Jahre eine ganzjährige Auszeit nehmen. Bei BMW können Mitarbeiter mit ihren Vorgesetzten Zeiten vereinbaren, in denen sie für sämtliche Arbeit nicht zu erreichen sind. Die dadurch entstehende Zeit sorgt für den nötigen Abstand zur Arbeit und für kostbare freie Zeit.
Dies macht deutlich, das Unternehmen mit Work Life Blending durchaus vor Herausforderungen stehen und sich diese auch stellen wollen. Dabei gilt es, den Balanceakt zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit für Mitarbeiter zu finden. Denn erst wenn dies gelingt, kann das Potenzial dieses Arbeitsmodelles ausgeschöpft werden.
Die Vor- und Nachteile
Der Wegfall klarer Grenzen zwischen dem Privatleben und der Arbeit ist für den ein oder anderen keine Option. Doch die Vorstellungen dahinter müssen nicht zwangsweise mit der Realität übereinstimmen. Daher haben wir an dieser Stell die Vor- und Nachteile von Work Life Blending zusammengefasst:
Vorteile
Selbstbestimmung: Nicht mehr an feste Zeiten gebunden hei0t, dass man sich die Zeit frei einteilen und entscheiden kann, wie man die vorliegenden Aufgaben erledigen möchte. Dies steigert nicht nur die Produktivität, sondern auch die Mitarbeiterzufriedenheit.
Flexibilität: Simple Besorgungen oder Termine beim Friseur oder Arzt lassen sich erledigen ohne gleich Urlaub nehmen zu müssen.
Produktivität: Durch die Beeinflussung, wann man welche Aufgabe erledigen möchte, kann der eigene Biorhythmus stärker berücksichtigt werden. Dadurch kann die Produktivität gesteigert werden. Denn nicht jeder ist morgens gleich produktiv wie am Nachmittag.
Familie & Beruf miteinander vereinbaren: Wenn es nichts mehr zu erledigen gibt, kann zu Hause weitergearbeitet werden. So ist man für eventuelle Anrufe erreichbar und zeitgleich für Familie oder Freunde da.
Nachteile
Überstunden: Durch die ständige Erreichbarkeit und dem Erledigen von Aufgaben im Privatleben, kann es schnell zu unbezahlter Mehrarbeit kommen. Daher ist es wichtig, diese Zeit festzuhalten.
Selbstausbeutung: Die Arbeit von zu Hause führt bei vielen zu einem erhöhten Leistungsdruck. Da wir es gewohnt sind, im Büro präsent zu sein, führt das Arbeiten wo uns keiner sieht zu verstärkten Anstrengungen bis hin zur Selbstausbeutung.
Unklarheit: Die verschwimmenden Grenzen zwischen Job und Privatleben können zu bisher nicht vorhandenen Konflikten führen.
Gesundheitsrisiko: Wer ständig Überstunden leistet und kaum Kontrolle über seine tatsächliche Arbeitszeit hat, tut dies zulasten der eigenen Gesundheit. Dadurch, dass nicht jeder bei unklaren Grenzen wirklich Abschalten kann, leiden viele vermehrt unter innerer Unruhe und Schlafstörungen.
Work Life Blending gefährlich?
Doch die Stimmen zu diesem Arbeitsmodell sind nicht nur positiver Natur. Viele Arbeitnehmer sehen diesem kritisch gegenüber. Das zeigte das Ergebnis einer Umfrage von Talents & Trends mit mehr als 600 Befragten. Die dort gelieferten Antworten bestätigten, dass die Zweifel bei den Arbeitnehmern zu der sich im Wandel befindenden Arbeitswelt tief sitzen.
In dieser Umfrage hielten es 64 Prozent nur für möglich, weder die Arbeit oder die Freizeit zu vernachlässigen, wenn man beide Bereiche strikt voneinander trenne. Noch mehr, fast 70 Prozent äußerten Bedenken das bei einer verschwimmen der Grenzen das Privatleben leiden würde da die Arbeit in den Vordergrund rückte. Das sie durch Work Life Blending bereits regelmäßig Überstunden leisteten, gaben immerhin 40 Prozent der Befragten an.
Neben diesen Antworten wurde ebenfalls deutlich, dass viele Arbeitnehmer dieses Arbeitsmodell als wichtigen Karrieremotor ansehen. Das nur Dienst nach Vorschrift für eine erfolgreiche Karriere nicht ausreicht, sahen 61 Prozent der Umfrageteilnehmer. Die durch dieses Modell entstehenden Vorteile sahen immerhin 40 Prozent aller Befragten.
Work Life Blending: Ein Generationen Ding?
Egal ob man Dafür oder Dagegen ist, der Fakt das Work Life Blending auch in der Zukunft eine große Rolle spielen wird, ist sicher. Nicht nur Unternehmen treiben diese Entwicklung voran, sondern auch Arbeitnehmer und künftige Bewerber.
Dabei ist der Gedanke hinter allem recht simpel: Arbeitnehmer die Zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen sind, haben mehr Spaß im Job. Dies führt zu mehr Leistungsbereitschaft und besseren Ergebnissen. Dies freut natürlich auch das Unternehmen.
Dabei setzen Unternehmen dieses Arbeitsmodell auch als Argument auf dem umkämpften Arbeitsmarkt. Bei jüngeren Bewerbern punkten sie so mit größerer Flexibilität und der Anpassung an die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter. Dies funktioniert allerdings nicht bei allen Generationen.
Besonders bei der Generation Y ist das Work Life Blending beliebt, während die Generation Z (geboren nach 1990) eher auf klare Grenzen zwischen Arbeit und Beruflichen pocht. Forschungen zeigen, dass vorrangig jüngere Arbeitnehmer wieder vermehrt zu klaren Abgrenzungen plädieren.